Umfragen: Wie formuliere ich meine Frage verständlich?

Am Ende jedes Studiengangs ist die Bachelorarbeit unausweichlich. Soll die Bachelorarbeit auf Basis einer Umfrage geschrieben werden, gibt es viele Unklarheiten, die vorher geklärt werden müssen: Wie erreiche ich genügend Teilnehmer? Welche Fragen will ich ihnen stellen? Verstehen die Teilnehmer meine Fragen genauso, wie ich diese meine? Besonders zu der letzten Frage gibt es einige Tipps, wie Fragen möglichst verständlich gestellt werden können. Zudem helfen verständliche Formulierungen, frühzeitige Umfrageabbrüche zu vermeiden.  

 

Vermeiden Sie…

 

… Verwirrungen und Unklarheiten

Verwirrungen und Unklarheiten können zum einen dadurch auftreten, dass die Frage nicht alle relevanten Informationen enthält und es aufgrund dessen zu einem Interpretationsspielraum kommt. Bei der Erstellung einer Frage sollte sich deshalb immer an den sogenannten W-Fragen orientiert werden (Wer? Was? Wann? Wo? Wie? Warum?).

Eine andere Möglichkeit, die zu Verwirrung während einer Umfrage führen kann, sind zu lange und komplexe Sätze. Wenn die Befragten am Ende der Frage den Anfang bereits vergessen haben, müssen sie diese deshalb erneut lesen. Die Befragten ärgern sich oftmals und die Folge könnte der vorzeitige Abbruch der Umfrage sein. Fragen sollten deshalb möglichst kurz und knapp gestellt werden.

Es ist ein Balanceakt, die Fragen möglichst kurz zu halten, aber dennoch alle wichtigen Informationen zum Verständnis einzubringen.

 

… Mehrdeutigkeit

Wenn Begriffe oder Fragen einen Spielraum für Interpretationsmöglichkeiten bieten, handelt es sich um Mehrdeutigkeit. Die Basis für eine gute Auswertung und aussagekräftige Ergebnisse ist allerdings, dass alle Umfrageteilnehmer den Inhalt der Fragen gleich verstehen. Fragen sollten deshalb immer eindeutig, klar und präzise formuliert werden. Am genannten Beispiel wird deutlich, dass die Frage zu allgemein formuliert ist. Viele Menschen treiben gerne Sport, aber favorisieren verschiedene Sportarten. Die Fragen sollten deshalb möglichst genau formuliert sein.

Beispiel: Machen Sie gerne Sport?

Bessere Formulierung:

Machen Sie gerne Sport?
                      □ Ja
                      □ Nein

Wenn ja, welche Sportarten machen Sie gerne?
                      □ Fußball
                      □ Zumba
                      □ Joggen
                      □ _______

Aber nicht nur die Fragen müssen eindeutig, klar und präzise formuliert sein. Auch bei den Antworten gilt dies. Denn je genauer und präziser die Antwortmöglichkeiten, desto einfacher ist die Beantwortung der Frage. Auch bei den Antwortmöglichkeiten können Wörter wie beispielsweise „oft“ unterschiedlich verstanden werden. Während für Person X „oft“ dreimal pro Woche bedeutet, würde Person Y „oft“ erst ab fünfmal pro Woche ankreuzen.

Antworten sollten präzise und überschneidungsfrei sein sowie alle Antwortmöglichkeiten abdecken.

Beispiel:

Wie häufig gehen Sie im Durchschnitt pro Woche ins Fitnessstudio?

Schlecht:
                                 □ nie
                                 □ selten
                                 □ manchmal
                                 □ oft
                                 □ regelmäßig

Besser:
                                 □ weniger als einmal
                                 □ 1- bis 3-mal
                                 □ 4- bis 5-mal
                                 □ 6-mal oder öfter    

 

… Fachsprache

Nicht jede Person hat den gleichen Bildungs- und Wissensstand. Dies sollte bei der Erstellung einer Umfrage berücksichtigt werden. Werden Fachbegriffe oder Fachausdrücke benutzt, können nur solche Personen die Frage ohne Probleme beantworten, die sachkundig in dem Fachbereich sind. Wird beispielsweise ein medizinischer Fachbegriff verwendet, sollten Ärzte die Frage ohne Probleme beantworten können. BWL-Studenten wären jedoch vermutlich nicht in der Lage die Frage ohne Recherche zu verstehen.

Fragen sollten so umgangssprachlich wie möglich gestellt werden. So ist gewährleistet, dass die Teilnehmer keine Schwierigkeiten bei der Beantwortung bekommen. Richtet sich ein Fragebogen an eine Zielgruppe mit gewissem Fachwissen, können Fachbegriffe verwendet werden. Dann sollte jedoch trotzdem sichergestellt sein, dass alle Fragen direkt verständlich sind.

Beispiel: Denken Sie, dass die Corona-Pandemie Auswirkungen auf die Supply Chain deutscher Pharma-Konzerne haben wird?

Bessere Formulierung: Denken Sie, dass Medikamente aufgrund gestiegener Unsicherheit vermehrt im Inland produziert werden?

 

 

… Slang und Abkürzungen

Bei Slangs und Abkürzungen verhält es sich genauso wie bei der Fachsprache. Die Fragen sollten zwar so umgangssprachlich wie möglich formuliert werden, allerdings sollte nicht in Slang verfallen werden. Slang ist die Ausdrucksweise einer bestimmten Menschengruppe, z.B. Jugendlicher. Jugendsprache nutzt zwar die jüngere Generation, aber viele ältere Menschen verstehen diese nicht.

Es gibt Abkürzungen, die sehr geläufig sind, wie „z.B.“ für „zum Beispiel“. Andere dagegen wie „i.Z.m.d.“ (in Zusammenarbeit mit den) sind eher unbekannt. Es ist möglich, dass Abkürzungen aus dem Zusammenhang erschlossen werden können, jedoch erhöht dies wiederum die Fehleranfälligkeit und fordert die Befragten. Um Verwirrungen vorzubeugen, sollte auf Abkürzungen verzichtet oder diese komplett ausgeschrieben werden.

Beispiel: Wie häufig chillen Sie abends auf der Couch?

Bessere Formulierung: Wie viel Zeit verbringen Sie abends auf dem Sofa?

 

 

… doppelte Verneinung

Doppelte Verneinungen verwirren die Umfrageteilnehmer genauso wie zu lange und komplexe Sätze. Es muss erst darüber nachgedacht werden, was genau gefragt wird und wie genau die richtige Antwort lautet. Die Gefahr von falschen Antworten wächst, wodurch die Ergebnisse verfälscht werden. Auch hier gilt es, die Fragen so einfach wie möglich zu formulieren.

Beispiel: Es ist nicht richtig, dass Schulkinder trotz der Corona-Pandemie nicht in die Schule müssen.

Bessere Formulierung: Es ist richtig, dass Schulkinder trotz der Corona-Pandemie zur Schule gehen müssen.

 

 

… doppelläufige Fragen

Werden in Fragen zwei oder mehr Aspekte gleichzeitig angesprochen, handelt es sich um doppelläufige Frage oder auch um sogenannte doppelte Stimuli. Die Beantwortung der Frage wird dann unmöglich, wenn die Befragten zu den Aspekten unterschiedliche Meinungen haben. In solchen Fällen ist es ihnen nicht möglich, alle Aspekte wahrheitsgemäß zu beantworten. Haben sie sich für einen Aspekt entschieden, werden alle anderen angesprochenen Aspekte genau gleich beantwortet. Um dies zu vermeiden, sollte für jeden Aspekt, der abgefragt werden soll, eine separate Frage gebildet werden.

Beispiel:
                                    Bringen Sie Familie und Geschenke in Verbindung mit Weihnachten?

Bessere Formulierung:
                                   Bringen Sie Familie in Verbindung mit Weihnachten?

                                   Bringen Sie Geschenke in Verbindung mit Weihnachten?

 

… führende Fragen

Durch führende Fragen – sogenannte Suggestivfragen – werden die Befragten gewollt oder ungewollt in eine gewisse Richtung gelenkt. Die Befragten antworten dadurch voreingenommen. Dies ist häufig der Fall, wenn beispielsweise eine Frage „Die Mehrheit der Weltbevölkerung…“ oder „Das Institut/ Die Organisation etc. hat bewiesen, dass…“ beinhaltet. Damit kein Einfluss auf die Befragten, deren Meinungen und somit der Ergebnisse genommen wird, sollte eine Frage objektiv und neutral gestellt werden.

Beispiel: Finden Sie nicht auch, dass unser Kundenservice sehr freundlich ist?

Bessere Formulierung: Wie finden Sie unseren Kundenservice?

 

 

… hypothetische Fragen

Manche Fragen verlangen von den Umfrageteilnehmern, dass sie sich in eine bestimmte Situation hineinversetzen. Hierbei wird von hypothetischen Fragen gesprochen. Befinden oder befanden sich die Probanden schon einmal in solch einer Situation, ist die Beantwortung der Frage keine Herausforderung. Ist die Situation allerdings neu oder unrealistisch für die Umfrageteilnehmer, müssen diese probieren sich in die entsprechende Lage hineinzuversetzen. Dies ist allerdings in den meisten Fällen kritisch und führt ebenfalls zu verfälschten Ergebnissen.

Am Beispiel wird deutlich, dass niemand so eine Situation jemals erlebt hat bzw. erleben wird. Somit ist es unmöglich, eine solche Situation nachzuempfinden. Die Befragten würde nur eine hypothetische Aussage abgeben. Deshalb kann nicht genau gesagt werden, wie die Probanden bei solch einer Problemstellung wirklich handeln würden.

 Beispiel einer hypothetischen Frage: Stellen Sie sich vor, jemand würde Ihnen unbegrenzt viel Zeit schenken. Was würden Sie als erstes tun?

 

 

… implizite Annahmen

Bei impliziten Annahmen handelt es sich um Konsequenzen, die nicht explizit in einer Frage genannt werden. Die Befragten sind sich somit einer Konsequenz nicht bewusst und beachten diese bei der Beantwortung der Frage nicht. Dies hat in den meisten Fällen einen Einfluss auf die Beantwortung.

Das Beispiel verdeutlicht, dass die erste Formulierung der Frage häufig bejaht würde. Je günstiger, desto besser. Wird jedoch die zweite Formulierung betrachtet, wäre die Antwort auf diese vermutlich „nein“. Niemand möchte schlechtere Qualität in Kauf nehmen. Deshalb ist es wichtig, Konsequenzen bzw. Annahmen den Befragten nicht implizit vorauszusetzen, sondern explizit zu nennen.

Beispiel: Denken Sie, dass der Milchpreis gesenkt werden soll?

Bessere Formulierung: Denken Sie, dass der Milchpreis gesenkt werden soll, wenn dadurch die Milchqualität schlechter wird?

 

 

… implizite Alternativen

Bei impliziten Alternativen verhält es sich ähnlich wie bei den impliziten Annahmen. Hier werden allerdings Alternativen in den Fragen nicht explizit genannt. Auch dies hat wiederum Einfluss auf die Antwort der Befragten. Ist ihnen eine Option nicht richtig bewusst, wird diese automatisch vernachlässigt bzw. nur bedingt berücksichtigt. Um auch diesen Einfluss zu vermeiden, sollten die Alternativen explizit genannt werden, damit die Befragten sie direkt vor Augen haben.

Beispiel: Wenn Sie ins Fitnessstudio gehen, trainieren Sie dann lieber an Geräten?

Bessere Formulierung: Wenn Sie ins Fitnessstudio gehen, trainieren Sie dann lieber an Geräten oder nehmen Sie auch an Sportkursen teil?

 

 

… Verallgemeinerungen und Schätzungen

Müssen sich die Befragten bei einer Frage erst anstrengen, um sie beantworten zu können, ist die häufige Konsequenz Verärgerung und Unmut. Um Anstrengungen, z.B. in Form einer Rechnung, aus dem Weg zu gehen, werden die Befragten eine geschätzte Antwort abgeben. Bei der abgegebenen Antwort glauben sie, dass diese ungefähr der tatsächlichen Antwort entspricht.

Bei Betrachtung des Beispiels wird deutlich, dass die Wenigsten diese Frage intuitiv beantworten können. Häufiger ist jedoch bekannt, dass der Besuch beim Friseur, beispielsweise alle sechs Wochen stattfindet und durchschnittlich 60 Minuten dauert. Der Rechenaufwand sollte den Befragten erspart bleiben und stattdessen bei der Auswertung des Fragebogens mit vorgenommen werden.

Beispiel:
                                  Wie viele Stunden verbringen Sie pro Woche im Durchschnitt beim Friseur?

Bessere Formulierung:
                                  Wie regelmäßig gehen Sie zum Friseur?

                                  Wie lange dauert ein Friseurtermin in der Regel bei Ihnen? 

Beachten Sie, dass es sich bei den Tipps nicht um strenge Regeln, sondern lediglich um Ratschläge handelt. Diese sollten individuell für jede Umfrage geprüft werden. Manchmal ist es sinnvoll, gezielt von den Ratschlägen abzuweichen, wenn dies hilfreich für das Verständnis (z.B. Fachsprache bei Ärzten) oder für bestimmte Ergebnisse förderlich ist (Hypothetische Fragen für z.B. Zukunftsentscheidungen). Viele Tipps scheinen offensichtlich. Allerdings tauchen trotz dessen immer wieder Fragen auf, die verständlicher formuliert werden könnten. Das verständliche Formulieren von Fragen, ist eine Kunst. Damit das Erstellen von Umfragen erleichtert wird, können diese Tipps als gute Orientierungshilfe dienen.

 

Autor:
Lea Börger

 

Literaturverzeichnis

Malhotra, Naresh K. / Birks, David F. (2006): Marketing Research, 2. europäische Auflage, Pearson Education Limited, Essex.
Möhring, Wiebke / Schlütz, Daniela (2019): Die Befragung in der Medien- und Kommunikationswissenschaft, 3. Auflage, Springer VS, Wiesbaden.
Möhring, Wiebke / Schlütz, Daniela (2010): Die Befragung in der Medien- und Kommunikationswissenschaft, 2. Auflage, VS Verlag, Wiesbaden
Porst, Rolf (2014): Fragebogen, 4. Auflage, Springer VS, Wiesbaden.
Thielsch, Meinald T. / Lenzner, Timo / Melles, Torsten (2012): Praxis der Wirtschaftspsychologie. Bd. II, Themen und Fallbeispiele für Studium und Anwendung, Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat OHG, Münster.