Messung und Skalierung – zwei Konzepte der Umfrageforschung
Messung und Skalierung sind die beiden Konzepte, die der gesamten Umfrageforschung zugrunde liegen.
Unter Messung versteht man die Zuordnung von Zahlen und Werten zu eindeutigen, charakteristischen Merkmalen von Objekten, die bestimmten Regeln entsprechen. Ein eindeutiges Merkmal eines Objekts ist zum Beispiel seine Länge, die wir durch das Messen mit einem Lineal als Messinstrument feststellen können. Die Messung ermöglicht es uns also, Unterschiede von Merkmalen festzustellen, um bei der Auswertung von Daten Vergleiche daraus ziehen zu können.
Die Skalierung hilft uns, Messungen überhaupt erst vorzunehmen. Die Markt- und Sozialforschung nutzt über einfach zu messende Werte hinaus weitere Konzepte, indem sie unter anderem Einstellungen und Meinungen von Menschen erfasst, denn diese sollen durch eine Umfrage ja schließlich gemessen werden. Es braucht also ein Instrument, das in der Lage ist, „schwammige Merkmale“ wie Einstellungen und Meinungen, präzise messbar zu machen.
Um die Skalierung besser zu verstehen, zeige ich im Folgenden auf, unter welchen sog. Skalen-Niveaus die Markt- und Sozialforschung, sowie die Psychologie unterscheiden. Diese Unterscheidung ist notwendig, weil wir Messungen nicht immer auf ein und dieselbe Weise durchführen können. Es gibt Objekte mit unterschiedlichen Eigenschaften, die dementsprechend unterschiedlich gemessen werden müssen. Andererseits haben Skalen-Niveaus statistische Eigenschaften, bzw. bieten sie die Möglichkeit, mathematische Methoden einzusetzen.
1. Nominalskala
Hier handelt es sich um das am einfachste Skalen-Niveau. Wir verwenden hier Zahlen nicht so, wie wir es aus unserem Alltag gewohnt sind. Das heißt, wir benutzen sie nur, um zwischen verschiedenen Objekten unterscheiden zu können. Es gibt keine Kontinuität zwischen den Zahlen, so dass ein Zahlenvergleich nicht möglich ist.
Nehmen wir als Beispiel die Unterscheidung der Umfrageteilnehmer nach Geschlecht: wir unterscheiden zwischen männlich, weiblich und diverse. Für die Skalierung legen wir die Regel fest, dass alle männlichen Probanden mit einer 1, alle weiblichen mit einer 2 und diverse mit einer 3 codiert werden. Wir könnten die Zahlen auch umkehren. Es spielt keine Rolle, welche Zahl welchem Geschlecht zugeordnet wird. Wichtig ist nur, dass die Regel besteht. Bei der Auswertung der Daten macht ein Zahlenvergleich wie zum Beispiel „2 ist größer als 1“ keinen Sinn.
Nominale Skalen dienen in Analysen nur der einfachen Unterscheidung (Beispiele: Geschlecht, Automarken, Farben etc.) und der Auszählung (Beispiel: An einer Umfrage haben 75 Männer und 63 Frauen teilgenommen). Die Auszählung kann auch prozentual ermittelt werden.
2. Ordinale Skala
Im Unterschied zur nominalen Skala hat die ordinale Skala eine weitere Bedeutung, denn hier spielt die Rangfolge eine Rolle. Was in der Analyse an erster, zweiter oder dritter Stelle aufgeführt wird, ist von Bedeutung. Die Zahlen in dieser Skala geben also die relativen Positionen von Objekten an. Allerdings fehlt hierbei die Information über die Abstände zwischen den benachbarten Objekten.
Beispiel: Die Teilnehmer eines Marathons laufen ins Ziel ein und es werden der erste, zweite und dritte Platz ermittelt. Die Rangfolge ist eindeutig. Wie groß aber der jeweilige Zeitabstand vom ersten Läufer zum zweiten und dritten ist, wird nicht ausgesagt.
Bezogen auf eine Umfrage bedeutet das zum Beispiel, dass sich Objekte zwar z.B. nach Wichtigkeit oder Präferenz anordnen lassen, man aber keine Aussagen darüber treffen kann, wie viel wichtiger oder begehrter das Ranghöchste Objekt im Vergleich zu den anderen ist.
3. Intervallskala
Bei diesem Skalenniveau gilt alles, was auf die beiden ersten auch Skalen zutrifft. Hinzu kommt die Eigenschaft, dass die Differenzen zwischen den benachbarten Objekten immer gleich sind. Das heisst, der Abstand zwischen 1 und 2 ist genauso groß wie der Abstand zwischen 2 und 3 usw. Die Tatsache, dass eine Intervallskala keinen eindeutigen Nullpunkt hat, beschränkt die Datenanalyse allerdings dahingehend, dass keine Proportionen gebildet werden können.
Stellen Sie sich ein Thermometer vor, das die Temperatur sowohl in Grad Celsius als auch in Fahrenheit anzeigt. Je nachdem, mit welcher Maßeinheit Sie (ein und dieselbe) Temperatur messen, befinden sich die Nullen an unterschiedlichen Stellen und die Intervalle unterscheiden sich ebenfalls voneinander.
10°C entsprechen 50°F, 20°C entsprechen 68°F. Die Werte sind anders, obwohl sie dieselben Temperaturen messen. Sie werden lediglich auf unterschiedlichen (Intervall)-Skalen gemessen.
Weil die Intervallskala keinen Nullpunkt hat, können wir keine Relationen bilden: Wir können zwar sagen, dass der Unterschied zwischen 5° und 7° gleich groß ist wie der Unterschied zwischen 14° und 16°. Wir können aber nicht sagen, dass 20° doppelt so warm ist wie 10°.
Was die Intervallskala im Gegensatz zur nominalen und ordinalen Skala aber zusätzlich ermöglicht, ist die Berechnung eines Mittelwerts. Sie lässt die vollständige Beschreibung einer statistischen Verteilung zu, um damit Schätzungen zu machen, welcher Outcome am wahrscheinlichsten ist. Außerdem ist mit dieser Skala die Messung einer Range möglich (z. B. was ist Minimum, was Maximum). Ebenso lassen sich als weiteres, wichtiges Beschreibungsmerkmal Standardabweichungen messen.
Diese Skala gibt uns also eine Vielzahl von Möglichkeiten, präzise mit Daten umzugehen und Modelle zu entwickeln, die uns Prognosen ermöglichen.
In der Umfrageforschung haben wir es i. d. R. hauptsächlich mit Intervall Skalen zu tun, wenn Einstellungen oder Meinungen zu bestimmten Themen abgefragt und gemessen werden.
4. Ratioskala / Verhältnisskala
Das mächtigste Skalenniveau, das uns zur Messung überhaupt zur Verfügung steht, ist die Ratioskala, auch als Verhältnisskala bekannt. Ihre Bedeutung liegt darin, dass sie hat einen eindeutigen Nullpunkt hat. Das Vorhandensein von „Null“ ermöglicht uns sämtliche Operationen, die sich statistisch durchführen lassen, weil wir dadurch Relationen bilden können.
Im deskriptiv statistischen Sinne können mit dieser Skala - zusätzlich zu den Operationen, die die o.g. Skalen ermöglichen - auch geometrische und harmonische Mittelwerte berechnet werden. Allerdings habe ich es noch nie erlebt, dass man sich in Marktforschungs- oder Sozialforschungsstudien mit derartigen Merkmalen beschäftigt hat.
Im Lebensalltag begegnet uns die Ratioskala sehr häufig. Wir nutzen sie z. B., wenn wir Gewicht, Einkommen oder Entfernung messen wollen. Für die typischen Markt- und Sozialforschungsaufgaben interessieren uns jedoch auch die Eigenschaften, die nominal, ordinal oder inervall skaliert sind.
Zur Veranschaulichung:
Die Abbildung zeigt eine Auswertung der Fußball WM 2001 mit Ausprägungen der verschiedenen Skalen.
Die nominale Skala (Spalte 1) dient nur - wir erinnern uns - der Nummerierung bzw. einfachen Unterscheidung der 10 teilnehmenden Länder (Spalte 2). Das Ranking wird anhand der ordinalen Skala gemessen (Spalte 3). Es gibt Aufschluss darüber, welches Land welchen Platz belegt hat. Den feineren Vergleich – also mit welchem Punktabstand die Länder sich platziert haben, bietet die Punktangabe des jeweiligen Landes (Spalte 4). Sie ist daher als Intervallskala zu verstehen.
Im nächsten Teil betrachten wir "Komparative und Nicht-komparative" Skalen in der Tiefe. Sie lernen ihre Anwendungsmöglichkeiten, sowie Vor- und Nachteile beider Skalenarten kennen.